Tschechische Erstaufführung am 17. Juni 2021 am Nationaltheater Prag
Regie: Kamila Polívková
Tschechische Erstaufführung am 17. Juni 2021 am Nationaltheater Prag
Regie: Kamila Polívková
Die Heime, der ihrer Heimat beraubten Alten, Kranken und Unberührten
sind Schauplatz im neuen Text von Katja Brunner. Es ist, so die Autorin
im Vorwort, ein SPRECHEN OHNE ZUKUNFT und daher "freier als manch
anderes Sprechen". Dieses Sprechen nimmt nicht Platz vor der Bettkante,
sondern wühlt sich hinein in die mit Exkrementen und Wundschorf,
Schläuchen und Kathetern verzierten Bettstätten der zum Liegen
Verdammten. Abgeschirmt von einer Welt, der sie sich tatkräftig
hingaben, betrachten sie verwundert die Scherben ihres gutbürgerlichen
Lebens: Erlebtes steht neben unwiederbringlich Verpasstem, Träume
mutieren zu Albträumen. Der durch einen Schlaganfall versehrte Körper
wird von seiner Bewohnerin als vergessener Handschuh empfunden, einem
anderen wird wegen sexueller Übergriffigkeit am weiblichen
Pflegepersonal der Rauswurf angedroht. Von Berührungen durch Pflegerhand
zugefügte Hämatome werden im allseitigen Einvernehmen als "Zeichen der
Zuneigung" befunden. Kein Blatt mehr nehmen die Alten vor die
ausgetrockneten Münder. Schwall um Schwall bricht es ungehört aus ihnen
heraus. Am Ende gewinnt der Krebs die Oberhand. Gebannt lauschen sie dem
inwendigen Wachsen des Tumors, bis ihre Kiefer runterklappen.
geister sind auch nur menschen
ist ein Text für und von den Todgeweihten, die rundumversorgt im Heim
ihre auf kapitalistische Betriebsamkeit getrimmten Nachkommen nicht
behindern sollen; es ist ein pralles Drama, das die Sterbenden in die
Mitte einer Gesellschaft, die sie professionell ausgrenzt, zurückholt.
Deutsche Erstaufführung 17. März 2017 am Schauspiel Leipzig
Regie: Claudia Bauer
Brunner, geboren 1991, hat eine Wutrede geschrieben gegen die Zumutungen des Alters, deftig und derbe und auch mal ordinär. Sie lässt wirre Gedanken emporwirbeln, aus den Tiefen gelebter Leben. Und doch ist ihr Text nicht depressiv, er steckt voller Sehnsucht: Sehnsucht nach dem Tod, aber auch Sehnsucht nach dem Leben, nach Sex und kleinen Süchteleien, Alkohol und Kippen, nach Berührungen ohne Handschuhe, "ohne den Geschmack von Funktionalität".
„Eine grobe, harte und auch sehr verzweifelte Puppenspielkonstellation über den Verlust der Selbstbestimmung im Alter.“
„Ohne Effekthascherei, gut austariert zwischen Realismus und Abstraktion. [...] Durchweg überzeugend und angemessen minimalistisch gespielt von Andreas Dyszewski, Timo Fakhravar, Sophie Hottinger, Julia Preuß, Katharina Schmidt und Florian Steffens.“
„Diese Mischung zwischen Brunner auf der Autorenseite mit dieser Analyse des Zustands des Alterns und gen Tod driften und gleichzeitig die Verpackungsstrategien von Claudia Bauer und ihrem Bühnenbildner Andreas Auerbach, die funktionieren in Leipzig ganz fabelhaft. [...] Ein Abend, der sich sehr lohnt.“
„Manchmal humorvoll überzeichnend, dann wieder berührend nah an der Realität. […] Eine wunderbare Produktion.“
„Radikal körpersprachlich. [...] Bei aller comichaften Überzeichnung durch die Körperkostüme dringt ein Rest Menschlichkeit aus den Figuren hervor. Das liegt vor allem am ergreifenden Spiel, das die existenzialistische Ebene sehr expressiv überträgt. Dessen Wirkung wird durch die Nähe zum Publikum unterstützt. Oft sind es nur die Blicke, das Augenspiel der Darstellenden, aus denen ein Funke Humanes überspringt und um Humanität fleht.“
„Regie und Ensemble schaffen es, aus dieser schrägen Horrorshow herumgeisternder, latent ekliger Alter immer wieder liebenswerte Zerbrechlichkeit und trutzigen Lebenswillen hervorleuchten zu lassen.“
„In der kleinen, für die Entdeckung zeitgenössischer Texte namhaft gewordenen Spielstätte "Diskothek" des Schauspiels Leipzig lässt Regisseurin Claudia Bauer ein energetisches Sextett auftreten. [...] Mit kraftvoll grotesken Bildern arbeitet Bauer gegen den latent stagnierenden, weil sich ausgiebig in gängigen Verfallsansichten suhlenden Text an.“
„Sprachgewaltig ist der Text, voll von Metaphern, die das Unsagbare, das unausweichliche Gefühl des Alterns in eine literarische Form zu bringen versuchen.“
Uraufführung 8.5.2015 am Luzerner Theater
Regie: Heike M. Goetze